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Eine berührende Begegnung: Überlebende von Atomwaffentest besuchten Bonn

survivorsIm Mai 2025 organisierte die ärztliche Friedensorganisation IPPNW eine zehntägige Veranstaltungsreihe, bei der vier Überlebende von Atomwaffentests aus Qazaqstan (Kasachstan) und Mā’ohi Nui (ehem. Französisch-Polynesien) nach Deutschland eingeladen wurden. Die Events in Hamburg, Bonn, Frankfurt und Berlin boten eine Plattform, um über die anhaltenden Folgen der nuklearen Testreihen zu berichten. Für die Veranstaltung am 7. Mai in Bonn war das FNF gemeinsam mit dem Netzwerk Friedenskooperative Kooperationspartner.

Im Fokus der Veranstaltung standen die verheerenden Folgen von Atomwaffentests der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Insgesamt wurden damals von verschiedenen Staaten mehr als 2.000 Atomwaffentests weltweit durchgeführt. In Kasachstan testete die Sowjetunion von 1949 bis 1989 467 Atomwaffen, während in Französisch-Polynesien zwischen 1966 und 1996 193 französische Tests stattfanden. Die gesundheitlichen und sozialen Folgen für die lokale Bevölkerung sind gravierend und dauern bis heute an.

Unsere Gäste, die Überlebenden Aigerim Seitenova, Aigerim Yelgeldy und Hinamoeura Morgant-Cross, sprachen über das Erbe der Atomwaffentests und diskutierten, wie nukleare Gerechtigkeit erreicht werden kann. Die Rolle der internationalen Gemeinschaft, insbesondere Deutschlands, wurde ebenfalls thematisiert.

Aigerim Seitenova ist Co-Gründerin der Qazaq Nuclear Frontline Coalition und eine Überlebende der dritten Generation aus Semei. Im März 2025 veröffentlichte sie ihren Kurzfilm „JARA - Radioactive Patriarchy: Women of Qazaqstan“, in dem sie sich mit der Geschichte und den Krankheiten ihrer Familie auseinandersetzt und die enorme persönliche Last offenbart, die durch die nukleare Vergangenheit ihres Landes verursacht wurde.

Aigerim Yelgeldy ist ebenfalls eine Überlebende der dritten Generation aus Semei. Trotz ihres Kampfes gegen Krebs setzt sie sich für nukleare Gerechtigkeit ein. Sie nahm an der 2. Konferenz der Staatenparteien des TPNW teil, um über die Auswirkungen der Tests und die Strahlung auf ihr Leben und ihre Gemeinschaft zu berichten. Ihre Geschichte wird ebenfalls im Dokumentarfilm „JARA“ behandelt.

Hinamoeura Morgant-Cross wurde eine engagierte Aktivistin für nukleare Gerechtigkeit, als sie erkannte, dass ihre Leukämie eine Folge der französischen Atomwaffentests in Mā’ohi Nui war. Sie setzt sich auf nationaler und internationaler Ebene für die Anerkennung, medizinische Versorgung und finanzielle Entschädigung der Überlebenden ein. Seit 2023 ist sie Mitglied der Versammlung von Mā’ohi Nui und hat dort eine Resolution zur Unterstützung des Vertrags über das Verbot von Kernwaffen verabschiedet. 2023 erhielt sie zudem den Nuclear Free Future Award.

Tamatoa Tepuhiarii, ein junger Mā’ohi-Aktivist und Forscher, konnte leider nicht in Bonn sprechen. Er engagiert sich für die Auswirkungen der französischen Atomwaffentests in Mā’ohi Nui und promoviert an der Universität Hamburg mit dem Projekt „Nuclear Justice and Gender in the South Pacific“.

Yerdaulet Rakhmatulla, ein Student und Aktivist aus Qazaqstan, beschäftigt sich mit globaler Sicherheit, nuklearer Abrüstung und KI-Governance. Als Co-Gründer der Qazaq Nuclear Frontline Coalition hat er die Nuclear Truth Protocols ins Kasachische übersetzt, um deren Zugänglichkeit zu verbessern. Yerdaulet begleitete die Überlebenden auf der Reise als Übersetzer für Russisch/Kasachisch und Englisch.

In Bonn erwartete unsere Gäste ein umfangreiches Programm. Zunächst gaben die drei Überlebenden der Atomwaffentests Interviews. Anschließend erkundeten sie unter Führung der FNF-Vorsitzenden Annegret die verschiedenen Stationen des "Friedensweg Bonn". Startpunkt war dabei das Hiroshima-Mahnmal in Bonn-Beuel (Bild). Nach einem gemeinsamen Mittagessen besuchten sie das Rathaus, wo die Aktiven einen persönlichen Termin mit einer Bürgermeisterin hatten. Am Abend fand ein Panel statt, in dem sie von ihren persönlichen Erfahrungen berichteten. Besonders der Film von Aigerim Seitenova beleuchtete die Auswirkungen der Atomwaffentests auf die Bevölkerung und die Umwelt in Qazaqstan und berührte alle Anwesenden tief.

Die anschließenden Präsentationen von Aigerim Seitenova, Aigerim Yelgeldy und Hinamoeura Morgant-Cross thematisierten nicht nur ihre Erkrankungen, sondern auch ihren Kampf um Anerkennung und Wiedergutmachung für die schrecklichen Taten. Verschiedene Perspektiven wurden dabei berücksichtigt. Aus einer feministischen Sicht wurden die Folgen für Frauen in den Mittelpunkt gerückt, einschließlich der Schuldgefühle von Müttern gegenüber ihren Kindern, reproduktiven Einschränkungen und der Thematik der Care-Arbeit. Auch die unzureichenden Bedingungen der Gesundheitssysteme, die den Erkrankten nicht helfen können, wurden kritisiert. Aus einer postkolonialen Perspektive wurde die Hierarchie zwischen den Weltmächten und den betroffenen Ländern angesprochen — Frankreich und Russland (damals UDSSR) nehmen keine Rücksicht auf weniger mächtige Staaten, verschmutzen die Umwelt und vergiften die dort lebende Bevölkerung ohne Konsequenzen. Der politische Kampf um Wiedergutmachung belastet die Überlebenden sehr. Dennoch bleiben sie hoffnungsvoll und appellierten an das Publikum, aktiv zu werden: Die internationale Zivilgesellschaft solle die Überlebenden unterstützen, um so die politischen Strukturen zu durchbrechen und Gerechtigkeit zu bekommen.

Die Veranstaltungsreihe stellte einen wichtigen Schritt dar, um das Bewusstsein für die anhaltenden Folgen der Atomwaffentests zu schärfen und die Stimmen der Überlebenden zu stärken. Wir danken allen Teilnehmer*innen für ihr Interesse, der IPPNW und dem Netzwerk Friedenskooperative für die gute Kooperation, und insbesondere Aigerim Seitenova, Aigerim Yelgeldy, Hinamoeura Morgant-Cross und Yerdaulet Rakhmatulla für ihr Engagement und ihre unermüdliche Arbeit für nukleare Gerechtigkeit.

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      Telefon: +49(0)228 - 62 67 30
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      Frauennetzwerk für Frieden e.V.
      Dr. Werner-Schuster-Haus
      Kaiserstr. 201
      D-53113 Bonn