Unser Vorstandsmitglied Clara Jöster-Morisse hat kürzlich einen Artikel im Journal of Futures Studies veröffentlicht, in dem sie sich mit den Potenzialen und Herausforderungen feministischer Zukunftsforschung als Methodik zur Erforschung der Zukunft feministischer Außenpolitik auseinandersetzt. Der Artikel "Applying Feminist-Informed Foresight in Feminist Foreign Policy: A Reflection on Potentials and Challenges" basiert auf ihrer Masterarbeit, in der sie untersucht, wie sich Vertreterinnen der feministischen Zivilgesellschaft die Zukunft feministischer Außenpolitik in Europa vorstellen – und wie sie ihre eigenen Einflussmöglichkeiten in diesem
Feld einschätzen. Eine der Interviewpartnerinnen war auch unsere Geschäftsführerin Elise!
Feministische Außenpolitik erfährt seit einigen Jahren international große Aufmerksamkeit: Mehr als zehn Länder – darunter auch Deutschland – haben in den vergangenen zehn Jahren entsprechende Leitlinien verabschiedet. Doch innerhalb feministischer Bewegungen sind die Perspektiven gespalten. Für manche stellt feministische Außenpolitik einen wichtigen Anker dar, um feministische Anliegen in staatliche Politik einzubringen und Regierungen zur Verantwortung zu ziehen. Für andere hingegen ist sie zu einem leeren Versprechen geworden – viele der Staaten, die sich eine feministische Außenpolitik auf die Fahnen schreiben, investieren weiterhin massiv in Aufrüstung und Rüstungsexporte oder versäumen es, strukturelle und systemische Ungleichheiten anzugehen. Feminist*innen sehen in ihr mitunter auch ein neokoloniales Projekt, das unter dem Deckmantel der Geschlechtergerechtigkeit der Imagepflege von Staaten dient.
Wie also weiter? Welche Zukünfte kann es für (eine wahrhaft) feministische Außenpolitik geben – und wie können wir sie mitgestalten?
In Zeiten großer Unsicherheit, in denen vieles ungewiss ist, bietet die Zukunftsforschung – auch "Strategic Foresight" genannt – einen spannenden methodischen Zugang. Sie geht von der Annahme aus, dass Zukunft nicht festgeschrieben ist, sondern aktiv gestaltet werden kann – und dass es nicht nur eine, sondern viele mögliche Zukünfte gibt. Es geht darum zu verstehen, wie und warum Menschen über die Zukunft nachdenken und wie sich gezielt Hebel identifizieren lassen, um gesellschaftliche Entwicklungen zu beeinflussen. Neben klassischen Ansätzen existieren auch kritische, feministische Strömungen innerhalb der Zukunftsforschung. Diese stellen grundlegende Fragen nach Machtverhältnissen, Werten und wünschenswerten
Zukunftsvorstellungen.
Claras Essay beleuchtet Potenziale und Herausforderungen, die sich aus einer solchen feministischen Perspektive auf Zukunftsforschung ergeben – und wie sie dazu beitragen kann, Zukünfte auch im Bereich feministischer Außenpolitik aus einer geschlechterpolitischen Perspektive neu zu denken. Gerade feministische und pazifistische Bewegungen richten ihren Blick zwar grundsätzlich in die Zukunft – doch eine strategische Auseinandersetzung mit zukünftigen Entwicklungen fehlt oft, nicht zuletzt aufgrund begrenzter Ressourcen. Dabei kann insbesondere im Bereich der feministischen Außenpolitik eine feministische Zukunftsforschung wertvolle Impulse liefern: Sie kann helfen, mit Unsicherheiten umzugehen, mögliche Handlungsspielräume zu identifizieren und neue Visionen feministischer Außenpolitik zu entwickeln – und sie zurückzufordern.
Konkret zeigen sich diese Potenziale in einigen Impulsen aus Claras Masterarbeit: Viele der befragten Expertinnen betonten, dass zukünftige politische Prioritäten der feministischen Zivilgesellschaft im Kontext feministischer Außenpolitik bestehende globale Trends mitdenken sollten, etwa im Bereich der Klimagerechtigkeit. Darüber hinaus hoben sie die Bedeutung feministischer Prinzipien wie Fürsorgeethik und Solidarität hervor. Besonders betont wurde die Notwendigkeit, starke internationale Allianzen neu zu bilden und gemeinsam solidarisch, aber vielfältig, an einer geteilten Agenda zu arbeiten. Auch die Schaffung inklusiver Räume – jenseits von Echo-Kammern – wurde als zentral angesehen, um neue Zielgruppen zu erreichen und feministische Außenpolitik breiter zu verankern.
Wer neugierig geworden ist, kann Claras Artikel (auf Englisch) im Journal of Futures Studies nachlesen!