• Startseite
  • Blog
  • Verliehen aber nicht vergeben – der Skandal um den Anita-Augspurg-Preis in München

Verliehen aber nicht vergeben – der Skandal um den Anita-Augspurg-Preis in München

von Heidi Meinzolt, langjährige Nahostkoordinatorin und internationale Vertreterin der IFFF, wohnhaft in München

Die unabhängig besetzte Gleichstellungskommission und die Jury aus 4 Vertreterinnen Münchner Frauenverbände haben ein einstimmiges Votum dafür abgegeben, der IFFF/WILPF in diesem Jahr den Anita-Augspurg-Preis zu verleihen.

Auszug aus der Begründung: „Das langjährige, entschiedene und wirksame Eintreten für sowohl emanzipatorische Ziele als auch für die frauenpolitische Sicht auf Krieg, Kriegsprävention und Frieden haben seit 100 Jahren einen ureigenen Zugang für politisches Engagement von Frauen installiert, das maßgeblich zur Gestaltung der Stadtgesellschaft beigetragen hat… Es ist besonders positiv, dass sich die Münchner Gruppe zukunftsweisend und hochaktuell weiterhin den Bedarfen und Bedürfnissen der geflohenen Mädchen und Frauen zuwendet, sowie seit Jahren durch gezielte Informationsveranstaltungen in München gegen Frauen- und Menschenhandel (zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung) und sexualisierte Gewalt vorgeht…“

 

Der Stadtrat diskutiert kontrovers die bereits angesetzte Preisverleihung. CSU –Stadträte zitieren aus kritischen Stellungsnahmen zu israelischer Politik und verweisen auf eine internationale Unterstützung der BDS-Kampagne durch WILPF. SPD-Stadträte und der Oberbürgermeister ziehen sich auf eine Konsensabstimmung zurück, die nicht zustande kommt. In späteren Gesprächen wird klar, dass es darum geht, die IFFF/WILPF als zu links und staatskritisch zu diskreditieren. Dazu werden anonyme Blogs (die bereits Anita Augspurg als Antisemitin verleumden) und die Stellungsnahmen israelischer Organisationen instrumentalisiert, die IFFF einer „antiisraelischen“ Haltung bezichtigen (Verband der Jüdischen Studenten in Bayern vom 9. März 2016, Europäische Janusz Korczak Akademie e.V. 9.März). Frau Knobloch, Präsidentin der israelitischen Kultusgemeinde sagt in einem Interview, dass sich die internationale IFFF-Dachorganisation „völlig übermäßig und obsessiv mit Israel beschäftige“ (TAZ vom 18.3.16).

Den Preis wird es in diesem Jahr nicht geben, teilt der OB kurz mit.

Die IFFF/WILPF weist alle Unterstellungen zurück und bekommt viel Solidarität aus der Zivilgesellschaft:

WILPF-Frauen waren in ihrer Geschichte immer mit jüdischen Frauen in ihrem Engagement verbunden, haben 1923 bereits die Ausweisung Hitlers gefordert, und Antisemitismus verfolgt. Nachdem 2. Weltkrieg hat u.a. eine Jüdin die deutsche Sektion der WILPF wieder aufgebaut. Die Hintergünde der WILPFG-Gründung lassen sich detailliert nachlesen u.a. bei Brigitte Schuchard: Frauen.Freiheit.Frieden, ISBN 978-3-86386-841-3.

Was macht die IFFF (deutsche Sektion) – WILPF (international) heute zum Thema Nahost – (Ausschnitte):

Die Orientierungspunkte haben sich in den letzten Jahren auf die MENA Region (Middle East-Northern Africa) insgesamt verschoben.

Priorität hat der Aufbau und Erhalt von Dialogstrukturen über Grenzen hinweg. WILPF vermittelt Begegnungen von Frauen innerhalb und außerhalb der Konfliktregionen. WILPF stellt die Verbindung zu politischen AkteurInnen der (inter-)nationalen Szene her, zu Entscheidergremien und Gebern. Als Organisation bietet WILPF den Transmissionsriemen von der Graswurzelinitiative bis in die UNO-Arbeit und legt immer den Finger in die Wunde von Rechtsverletzungen und von gewaltbereiter Interessenvertretungen (z.B. Rüstungsindustrie).

WILPF arbeitet in enger Abstimmung und mit tatkräftiger Unterstützung der Sektion im Libanon an der Bewältigung der Flüchtlingskatastrophe (1,5 Millionen Kriegsflüchtlinge bei 4 Millionen Bevölkerung).

Im Zentrum diplomatischer und politischer Aktivitäten steht die strukturelle und inhaltliche Unterstützung syrischer Frauen und Frauengruppen, um ihre Stimme in den Genfer Friedensverhandlungen Verhandlungen zu Gehör zu bringen.

WILPF unterstützt Frauen in Palästina gegen Übergriffe durch Polizei und Militär und Alltagsgewalt: Sie thematisiert die z.T. dramatische Lage von Frauen in israelischen Gefängnissen und verstärkt sie durch internationale Appelle. WILPF verurteilt die Besatzungs- und die Siedlungspolitik Israels und setzt sich ein für die Anerkennung internationaler Rechtsstandards. Die BDS-Kampagne wurde als ziviles Mittel propagiert, Druck auf die israelische Regierung auszuüben, mit dem langfristigen Ziel die Besatzung zu beenden. Am Beispiel von „Sodastream“ hat dies auch Erfolge gezeigt, indem die Produktion verlagert wurde und mit palästinensischen Kräften – zumindest bis vor kurzem – produziert wurde. Die BDS-Kampagne ist keine „Hassbotschaft“. Sie ist weder von Hass geleitet, noch zu Hass anstachelnd. Sie dient der Aufklärung und Information der VerbraucherInnen. Die Botschaft ist, dass mit Reaktionen zu rechnen ist, wenn der Staat Israel völkerrechtswidrig handelt. So wurde eine Unterstützung der Kampagne im Konsens auf dem internationalen Kongress von WILPF 2008 in Indien mit den Stimmen der Sektionen aus Israel, Palästina und Libanon so beschlossen. Die israelische Sektion hat nach einem persönlichen Gespräch in der letzten Woche diese Zustimmung bestätigt.

Die IFFF/WILPF hat immer ihre Mitgliedsorganisation in Israel unterstützt, in der arabische mit jüdischen Frauen zusammenarbeiten. Sie hat z.B. Berichte der Frauen über Menschenrechtsverletzungen an den Checkpoints - im Rahmen von Mahsom Watch (checkpoint watching) öffentlich gemacht. Sie hat wiederholt an den Staat Israel appelliert, auch und gerade zum Schutz seiner eigenen Bevölkerung die Eskalation der Gewalt zu stoppen. Sie hat sich für einen Stopp des Gazakrieges ausgesprochen und die Isolation Gazas aus humanitären Gründen kritisiert, nachdem israelische WILPF-Frauen sich mit Solidaritätsmaßnahmen und humanitärer Hilfe, soweit wie möglich, an der Grenze engagiert hatten. WILPF hat bedauert, dass der Staat Israel den ersten Goldstone Bericht nicht zur Kenntnis genommen hatte und nun einer zweiten Überprüfungskommission der UNO den Zugang ganz verweigert. In Gaza engagiert sich z.B. besonders die italienische Sektion mit regelmäßigen humanitären Besuchen.

 

    • Kontakt

      Telefon: +49(0)228 - 62 67 30
      E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! 

    • Anschrift

      Frauennetzwerk für Frieden e.V.
      Dr. Werner-Schuster-Haus
      Kaiserstr. 201
      D-53113 Bonn