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Begegnungen in Israel und Palästina – Bericht über die Teilnahme an einer 7-tägigen Multiplikator*innenreise

Erika Christmann, 2. Stellvertretende Vorsitzende des FNF und langjähriges Mitglied der FNF-Mitgliedsorganisation „Frauen wagen Frieden – Projektgruppe der Ev. Kirche der Pfalz“, berichtet hier von ihrer Reise nach Israel und Palästina. Die Reise fand im März 2019 statt und wurde von der Katholischen Friedensorganisation Pax Christi organisiert.

Warum lieferst du dich diesem Stress aus? Du warst schon mehrfach dort, kennst die bedrückende Situation und musst Angst haben, dass sie dich nicht in Tel Aviv einreisen lassen! Solche Sätze hörte ich vor meiner Abreise immer wieder. Ja, warum? Es gibt eine einfache Antwort: Seit 25 Jahren, seit meiner ersten Reise mit Pfarrer Kuntz, arbeite ich mit meinen bescheidenen Möglichkeiten in Kirche und Politik daran, dass gehandelt werden muss, um die völkerrechtswidrige israelische Besatzungspolitik zu beenden. Inzwischen bin ich sehr mutlos geworden, auch weil es verschiedenen Akteur*innen immer wieder gelingt – auch in Deutschland – in immer stärkeren Maße auf die Verantwortlichen in Politik, Gesellschaft und Kirchen Einfluss zu nehmen und selbst bei gerechtfertigter Kritik an der israelischen Regierungspolitik mit Antisemitismusvorwürfen einzuschüchtern. Mit der erneuten Begegnung mit den Menschen vor Ort, insbesondere auch mit den in Menschenrechtsgruppen arbeitenden Menschen erhoffte ich mir vertiefte völkerrechtliche und menschenrechtliche Informationen, die mir in Deutschland weiterhelfen beim Positionieren für einen gerechten Frieden und mich ermutigen und Antrieb geben zu weiterem Engagement.

Diese Reise mit den Gesprächen und Gesprächspartner*innen in Israel, im Westjordanland und Ostjerusalem kam meinen Wünschen sehr entgegen, zusammen mit einer kleinen Reisegruppe (14 Teilnehmende), die sich aus aufgeschlossenen, rücksichtsvollen Menschen aus den verschiedensten Bereichen, z. B. Erwachsenenbildung, Kirche, Gewerkschaft und Friedensarbeit, zusammensetzte.

Ich bin sehr froh, dass ich mich auf den Weg gemacht habe, und vor allem auch dankbar, dass es unseren beiden kompetenten Reiseleiterinnen aus der Pax Christi-Arbeit gelungen ist, innerhalb einer Woche uns mit Menschen aus 15 verschiedenen Organisationen zusammenzubringen, die uns ein breites Spektrum ihrer bewundernswerten, oft gefährlichen Arbeit für ein friedliches Zusammenleben geben konnten.

Es war erschütternd die Realität zu erleben:

  • Die Angst der Menschen in Sderot vor den Raketen aus dem Gazastreifen und den eingemauerten Gazastreifen zu sehen,
  • vor einem zerstörten Haus in der Westbank zu stehen, in dem vorher 12 Familien wohnten, wohl wissend, dass bereits seit 1967 Zehntausende von Häusern zerstört wurden,
  • wie in Hebron die palästinensischen Bewohner*innen regelrecht mit Dreck beworfen werden von radikalen israelischen Siedlern und wie „Dreck“ von diesen und den israelischen Soldat*innen auch behandelt werden,
  • von israelischen und palästinensischen Menschenrechtsgruppen zu hören, wie schwierig und meistens aussichtslos es auch für ihre Jurist*innen ist, die Palästinenser*innen vor Haft, Landenteignung bzw. Häuserzerstörung, zu schützen,
  • dass Familienzusammenführungen von Ostjerusalem und der Westbank oft über Jahrzehnte hinweg nicht gelingen,
  • dass die israelische Regierung alles dazu tut, um Palästinenser*innen aus Jerusalem zu vertreiben und den Siedlungsbau um Jerusalem auf palästinensischem Land voranzutreiben im Sinne eines Groß-Jerusalem,
  • die Enttäuschung des Pfarrers Munther Isaac der lutherischen Weihnachtskirche, dass die Kirchen, insbesondere auch unsere Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), wenig dazu tun, das Unrecht an den Palästinenser*innen eindeutig zu benennen (Kairos Dokument von 2009) und politischen Druck auszuüben für ein Ende der Besatzung. Immer mehr Christ*innen wandern aus wegen aussichtsloser Lebensverhältnisse, Enttäuschung über das Verhalten der katholischen Kirche war auch im kath. Menschenrechtsbüro St.Yves in Jerusalem zu spüren,
  • das Entsetzen des ehemaligen israelischen Botschafters in Südafrika lIan Baruch (zurückgetreten 2011, weil er die Regierungspolitik nicht mehr mittragen konnte) über das Nationalitätengesetz (2018), das die palästinensischen Staatsbürger* innen Israels weiter diskriminiert, arabisch als Amtssprache und Erwerb von Grundbesitz verbietet. Verbitterung über die deutsche Bundesregierung, die eine starke Stimme in Europa hat, dass sie ihren Einfluss nicht für eine Veränderung der Politik Israels einbringt. „Schreckliches geht vor!“ „We need you, to help us“. Aufforderung, sich bei gerechtfertigter Kritik an der israelischen Regierungspolitik nicht mit falschen Antisemitismusvorwürfen mundtot machen zu lassen und die Diskussion in Deutschland zu öffnen. „I speak in the name of Jewish Interest to make this place safe“,
  • die Enttäuschung von Jeremy Milgram, dem Rabbiner für Menschenrechte (seit 25 Jahren) darüber, dass, in falsch verstandener Theologie, „Gottes Erwähltes Volk“ machen kann, was es will. Nicht jüdisch ist es Menschenrecht zu brechen“. Keine Partei in Israel spricht über Frieden, aus Angst Stimmen zu verlieren.

Nicht zuletzt hat mich der Besuch in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem wieder sehr erschüttert. Seit meiner Jugend (Ende der 1950er Jahre), ist die Beschäftigung mit dem Holocaust existentiell für mich und mit Trauer und Schulbewusstsein verbunden und immer wieder stehe ich fassungslos vor dem, was Menschen angetan wurde. Sehr betroffen gemacht hat mich auch, dass das Nationalitätengesetz der israelischen Regierung (2018) Ähnlichkeiten mit den Rassengesetzen der Nazis aufweist. Ich kann nur hoffen, dass die vielen israelischen Soldat*inne, die durch die Gedenkstätte geführt werden, nicht nur verstärkt werden in ihrer Trauer und ihrem Betroffensein, dass Juden so etwas Entsetzliches passierte, sondern auch überzeugt werden, dass nicht nur das jüdische Volk, sondern kein Volk auf der Welt Angst vor Auslöschung und Diskriminierung haben darf.

Es war sehr beeindruckend, bei allen Begegnungen mutige Menschen zu erleben, die sich für die Würde und Rechte der Menschen, insbesondere der Palästinenser*innen einsetzen – selbst unter der Gefahr angefeindet, angegriffen oder verhaftet zu werden. Wo immer es möglich bzw. nötig ist, unterstützen sie sich vor Ort bei ihrer Friedensarbeit, die getragen wird von der Hoffnung auf einen gerechten Frieden.

Im Folgenden werde ich einige der Organisationen, die wir in Israel, im Westjordanland und Jerusalem besucht haben, näher beschreiben. Die Länge der Ausführungen soll ein breites Spektrum der verschiedenen Arbeitsbereiche aufzeigen und bedeutet keine Wertung. Dabei greife ich auf Ausführungen im Netz zurück, ergänzend, aber auch dann, wenn ich mir vor Ort nicht immer sicher war, die englischen Ausführungen vollständig verstanden zu haben. Außer den angegebenen Links gibt es weitere, oft mit einem Übersetzungsangebot bei Google unter dem Namen der Organisationen.

Friedens- und Menschenrechtsarbeit in Israel

Neve Shalom/Wahat Al-Salam (https://wasns.org/)

Es war ein gutes Ankommen und ein „ Herzliches Willkommen“, das wir sehr schnell bei einem wunderbaren landestypischen Essen, den gemütlichen Zimmern mit Ausblick in die Natur und die Dorfanlage, und dem informativen Gespräch mit Evi Guggenheim hatten.

In dem Friedensdorf Neve Shalom/Wahat Al-Salam konnten wir zu Beginn unserer Reise erleben, dass von 140 israelischen Familien (70 jüdischen und 70 arabischen) ein friedliches Miteinander gelebt wird. In der Schule (270 Kinder, auch von außerhalb) und dem Kindergarten wachsen die Kinder mit beiden Sprachen auf. In der 3. Klasse kommt schon die dritte Sprache dazu. Es wird Wert darauf gelegt, dass die Narrative (Holocaust und Nakba) beider Bevölkerungsgruppen verstanden werden. In der Friedensschule haben Erwachsene von außerhalb die Möglichkeit in Kursen gewaltfreie Kommunikation zu lernen. Im Gästehaus gibt es gemütliche Zimmer. Es kommen viele Lehrer*innen und Menschen aus einflussreichen Berufen. Das Projekt wird durch die EU und einen Förderverein weltweit unterstützt.

The Other Voice of Peace.   (http//www.othervoice.org/welcome-eng.htm)

In Sderot, dem israelischen Dorf an der Grenze zu Gaza liegend, bekannt durch die Einschläge der Raketen aus Gaza, begegneten wir in ihrem Haus einer ganz besonders beeindruckenden Frau. Roni Keidar kam als junge Frau in ein Kibbuz nach Israel, heiratete später einen Ägypter, gründete mit ihm eine Farm im Nordsinai, wurde umgesiedelt, als der Sinai Anfang der 80 Jahre wieder an Ägypten zurückgegeben wurde, bekam Land in Sderot und gründete hier wieder eine Farm mit ihrem Mann zusammen. Sie hatten gute, persönliche Kontakte zu ihren Arbeiter*innen und deren Familien, die aus dem benachbarten Gaza kamen. Als der Gazastreifen gesperrt wurde, wurde ihr zunehmend mehr bewusst in welcher bedrängenden, unwürdigen, aussichtslosen Situation die Menschen dort leben mussten. Sie wollte dazu beitragen, dass sich etwas ändert, sich persönlich einsetzen (z.B. Krankentransporte aus Gaza nach Israel begleiten9, aber auch ein politisches Bewusstsein dafür schaffen, dass die Menschen „Seite an Seite würdig und angstfrei leben können“. Sie geht in Kindergärten und Schulen, hält Vorträge in ihrem Dorf, das immer weiter wächst – trotz Bedrohung. Aber auch zusammen mit Menschen ihrer Organisation ist sie im ganzen Land mit Workshops, Seminaren und anderen Aktivitäten unterwegs. Die israelische und internationale Öffentlichkeit soll sensibilisiert werden für den hohen physischen und psychischen Druck, den die Menschen in Gaza spüren. Das Bewusstsein für die Notwendigkeit einer gewaltfreien politischen Lösung soll geschaffen werden bei den Menschen in Israel und Palästina. Zur Bedrohung sagt sie: Eigentlich passiert nicht häufig was. Aber wenn die Sirenen heulen, hat man Angst und nur ein paar Minuten Zeit, um einen Schutzraum im eigenen Haus oder entlang der Straßen (kleine Betonhäuschen, häufig an Bushaltestellen) aufzusuchen. Angst hat sie auch um ihren Mann, wenn dieser auf den Feldern arbeitet. Eine sehr emotionale Situation hat sie erlebt, als ihre erwachsenen Kinder mit Familien zu Besuch waren. Nachdem in dieser Zeit mehrmals Alarm war, wollte sie unbedingt, dass ihre Kinder wieder zurück nach Schweden fliegen. Sie geht mit uns zum Aussichtspunkt. Freitags hätte sie das nicht gemacht – seit einem Jahr demonstrieren viele Menschen in Gaza an der Grenze für ein Recht auf Freiheit und Rückkehr in ihre Häuser: The Great March of Return.

Es war auch für uns sehr bedrückend sich vorzustellen, wie das erbärmliche Leben der Menschen hinter diesen (Gefängnis-)Mauern in Gaza aussieht, aber auch im Gegensatz dazu die Ängste der Menschen nachzuempfinden, in diesem so wohlhabend und sauber erscheinenden Ort Sderot, der wie bereits erwähnt nach Aussagen von Roni trotz der Gefahr immer noch weiter wächst.

[Nachtrag: Wenige Tage, nachdem ich diesen Bericht geschrieben habe, kommt es erneut zu verstärkten Gewaltausbrüchen. Raketen aus Gaza zerstören ein Haus und verletzen Menschen. Danach erfolgt ein israelischer Militäreinsatz, der heftige Zerstörungen und auch zivile Opfer nach sich zieht. Mein Mitgefühl gilt allen Menschen vor Ort. Am 29. März erfahre ich: Ein neuer Bericht von Amnesty International anlässlich des Jahrestages der „Großen Rückkehrmarsch-Proteste" enthält die Forderung nach einem Waffenembargo gegenüber Israel: https://www.amnesty.org/en/latest/news/2019/03/one-year-on-from-protests-gaza-civilians-devastating-injuries-highlight-urgent-need-for-arms-embargo-on-israel/
Weiterhin fordert Amnesty eine Ende der Gazablockade und die Erlaubnis, dass Palästinenser*innen an den Ort zurückkehren können, von dem sie vor 70 Jahren vertrieben wurden. Im Bericht heißt es: Immer wieder hat Israel eine große Geringschätzung für das Leben der Menschen in Gaza gezeigt. 195 Palästinenser wurden durch Scharfschützen getötet, darunter 41 Kinder, und 28.939 verletzt. Der Bericht sagt auch, dass das schockierende Ausmaß der Schussverletzungen es nahelegen, dass Israel eine bewusste Strategie verfolgt, Zivilist*innen zu verletzen. Es wurde Munition eingesetzt, die auch zur Tierjagd benutzt wird („hunting ammunition") und die sich im Körper ausdehnt und große Wunden reißt. So mussten mehr Amputationen vorgenommen werden als während des gesamten Israel-Gaza Konfliktes 2014.

Die israelischen Streitkräfte töteten und verletzten palästinensische Demonstrant*innen, die keine direkte Gefahr für das Leben der Soldat*innen darstellten – darunter Kinder, Sanitäter*inne, Journalist*innen und Menschen mit Behinderungen. Amnesty unterstützt die UN-Untersuchungskommission, die Kriegsverbrechen aufdecken will, um den Opfern Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, die Täter*innen zu bestrafen und damit den langjährigen Kreis der Straflosigkeit zu durchbrechen.]

Zochrot   („Erinnern“ auf Hebräisch)  (http://zochrot.org/en)

Ist eine 2002 gegründete israelische Nichtregierungsorganisation, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die israelische Gesellschaft über die Ungerechtigkeiten der Nakba (1948), der palästinensischen Katastrophe, bei der 600 palästinensische Dörfer zerstört wurden, aufzuklären. Viele Israelis wissen nicht, was mit den verlassenen Dörfern passiert ist. Auch die Palästinenser*innen, die noch in Israel leben, können nicht zurück, ebenso wie die Hundertausenden im Ausland lebenden Flüchtlinge. Mit Lehrer*innentrainings, Aufklärungsmaterial, Führungen und vielen Aktivitäten (darunter auch Lyriklesungen und Fotoausstellungen zu Familiengeschichten) versucht man, den Kenntnisstand in der israelischen Gesellschaft zu verändern um eine Verantwortlichkeit für eine zwingende Wiedergutmachung für die Nakba zu fördern und damit auch die Bereitschaft für Frieden.

Besuch bei der Association for Civil Rights in Israel (Acri) in Tel Aviv

(https://www.english.acri.org.il/)

Die Organisation wurde 1972 gegründet mit Sitz in Tel Aviv und Niederlassungen in Jerusalem, Nazareth und Be'er Sheva. Sie sieht sich "Verpflichtet zur Förderung der Universalität der Menschenrechte und zur Verteidigung der Menschenrechte und der bürgerlichen Freiheiten aller, unabhängig von Religion, Nationalität, Geschlecht, ethnischer Zugehörigkeit, politischer Zugehörigkeit, sexueller Orientierung oder sozioökonomischem Hintergrund." Sie wird von vielen Stiftungen unterstützt, so auch von Pax Christi, Brot für die Welt, Heinrich Böll (60.000€) und von der EU (600.000€).

Sie betreibt eine wichtige pädagogische Arbeit, indem sie junge Menschen bevor sie zur israelischen Armee gehen zu Kursen einlädt, in denen sie durch Information über Menschenrechte auch gegenüber Menschen in Kriegen und Besatzungssituationen für einem humanen Umgang gegenüber den Menschen in den besetzten Gebieten sensibilisiert werden sollen. Hintergrund für diese Maßnahme ist das brutale, entwürdigende Verhalten gegenüber den Palästinensern.

Sie gibt Berichte an UN-Komitees, trifft sich mit ausländischen Diplomat*innen und Regierungsvertreter*innen und nimmt an internationalen Konferenzen und NGO-Netzwerken teil.

Sie veröffentlichte Berichte und organisiert öffentliche Veranstaltungen, in denen „Verstöße der israelischen Behörden in Israel, den besetzten Gebieten oder anderswo" vermutet werden.

Sie wirft der israelischen Regierung vor, „rassistische" und „diskriminierende" Maßnahmen der „Kollektivstrafe" in „Verletzung des Völkerrechts" umzusetzen.

Im April 2018 reichte ACRI zusammen mit Yesh Din, Gisha und Hamoked einen Antrag an den Obersten Gerichtshof ein, der forderte, dass das Gericht die Aufhebung der Feuerbestimmungen anordnet, die es den IDF-Soldat*innen gestatten, mit Live-Munition auf Demonstrant*innen zu schießen, die das Leben von Soldat*innen an der Grenze zwischen Israel und dem Gazastreifen nicht gefährden.

Im Februar 2018 reichte ACRI beim Bezirksgericht Lod eine Petition ein, in der er Breaking the Silence vertrat, als ihm wegen seines politischen Charakters vom örtlichen Komitee eine Rede in Moshav Gan Yoshiya verweigert wurde. Nach der Petition widerrief der Ausschuss seine Entscheidung. Laut ACRI-Anwalt Tal Hassin stellt das Urteil fest, „dass es keine Rechtsgrundlage für die methodischen Versuche gibt, den Eintritt von Breaking the Silence und anderer Organisationen, gegen die es Opposition gibt, zu blockieren."

Im Jahr 2018 startete ACRI die Kampagne „50 Jahre – Ein Staat ohne Grenzen: Menschen ohne Menschenrechte", in der Israel vorgeworfen wird, Gaza in ein „Freiluftgefängnis“ zu verwandeln und „schwere Verletzungen der individuellen und kollektiven Menschenrechte der Palästinenser" zu begehen.

ACRI ist eine der politisch aktivsten NGOs, die sich der israelischen Politik gegenüber den Beduinen im Negev widersetzt.

Nach diesen informativen Gesprächen in Israel machten wir uns auf den Weg nach Bethlehem, wo wir für vier Nächte im Gästehaus der Franziskaner neben der Geburtskirche gut untergebracht waren.

Menschenrechte und Völkerrecht in Jerusalem

Ir Amim  (Stadt der Nationen oder Stadt der Völker)  (http://www.ir-amim.org.il/en/tours)

Diese Organisation konzentriert sich auf Jerusalem im Kontext des israelisch-palästinensischen Konflikts. Bei einer Führung am Rande Ostjerusalems wurde uns gezeigt anhand des Mauerverlaufs und der Siedlungen, die ringförmig um die Stadt angeordnet sind, auch mit Hilfe einer Karte (es gibt eine blaue Linie), wie die Planungen weiterer Siedlungen – weit über die grüne Grenze und den jetzigen teilweise völkerrechtswidrigen Mauerverlauf – für ein Groß-Jerusalem aussehen.

Die Organisation hat sich zum Ziel gesetzt dazu beizutragen, dass Jerusalem zu einer gerechteren und nachhaltigeren Stadt gemacht wird für Israelis und Palästinenser*innen, die sich die Stadt teilen (sollen!).

Dies soll erreicht werden durch Überwachung, durch öffentliche und rechtliche Interessenvertretung, Aufklärung, Führungen, Öffentlichkeitsarbeit und Berichterstattung (die israelische Zeitung Haaretz bringt viele Berichte über neue politische Erlasse, Hauszerstörungen, Vertreibung der Beduinen, Enteignungen und Schikanierungen von Farmer*innen, Gewalt, Tötungen….,) Unser Gesprächspartner macht uns auch auf die gravierenden, diskriminierenden Unterschiede z.B. bei den Straßen, Grünanlagen, Schulen (Versorgung mit Klassenräumen) aufmerksam.

Nach dieser Führung fällt mir die Vorstellung, dass man von israelischer Seite sich hier zurücknimmt, um den Palästinenser*innen Rechte und Raum zu geben bzw. auch zurückzugeben, sehr schwer, und lässt mich einmal mehr sehr betroffen, ja entmutigt zurück, dankbar aber dafür, dass diese Aufklärungsarbeit von Israelis geleistet wird.

Gesellschaft von St. Yves, katholisches Menschenrechtsbüro im Lateinischen Patriarchat von Jerusalem     (http://saintyves.org/)

Diese NGO wurde 1991 von dem damaligen Patriarchen Michel Sabbah (Mitarbeiter am Kairos-Dokument) gegründet und ist Partner von Pax Christi. Der Verein bietet Rechtshilfe für Menschen, die sich keinen Anwalt leisten können. Häufig ziehen sich Verfahren über viele Jahre in die Länge, immer wieder gelingen spektakuläre Urteile, aber häufig sind auch die Jurist*innen nicht erfolgreich. (näheres vgl. Wikipedia). Insgesamt arbeiten in diesem Büro 24 Menschen mit viel juristischer Erfahrung. Nachdem wir zwei Kurzfilme angeschaut hatten, stellten uns zwei Mitarbeiter*innen die umfangreiche Arbeit vor. Da auch wir kaum fassen konnten, was wir gesehen und gehört haben, möchte ich einige Schwerpunkte näher ausführen. Die Absicht, die hinter all den Rechtsbrüchen und Drangsalierungen steht, ist innerhalb der Grenzen von Jerusalem ein Verhältnis 60% Jüd*innen und 40% Araber*innen zu halten bzw. die Zahl der Araber*innen zu verringern.

Residenz in Jerusalem

Nachdem Israel 1967 illegal Ost-Jerusalem annektiert hat, hat es seiner palästinensischen Bevölkerung keine Staatbürgerschaft verliehen, sondern nur den Status einer „dauerhaften Residenz“. Diese garantiert keine vollen Bürgerrechte und kann nach Ermessen des israelischen Innenministers jederzeit widerrufen werden. Auch drei unliebsamen arabischen Ministern wurde der Status entzogen. So sind die Palästinenser*innen durch Praktiken bedroht, verdrängt und oft staatenlos zu werden. St. Yves gewährt Rechtshilfe für palästinensische Aufenthaltsrechte in ihrer Heimatstadt.

Landbeschlagnahmung

Nach dem Völkerrecht ist die Beschlagnahme von privatem Eigentum und die Errichtung von Siedlungen durch den Besatzungsstaat verboten. Unter dem Vorwand der Sicherheit und des öffentlichen Bedarfs (z.B. Siedlungen) wurden jedoch seit der Besetzung 1967 Tausende Entziehungsentscheidungen erlassen. St. Yves bietet rechtliche Vertretung an.

Staatliche Versicherung

Mit ihrer „dauerhaften Residenz“ zahlen Palästinenser*innen wie israelische Staatsbürger*innen Steuern und Sozialversicherungsbeiträge und haben Anspruch auf alle Sozialleistungen der israelischen Sozialversicherung, einschließlich Arbeitslosigkeit, Invalidität, Witwengeld und Altersleistungen. Obwohl 68% der in Ostjerusalem lebenden Palästinenser*innen unter der Armutsgrenze leben, erhält nur ein geringer Teil Leistungen aus der staatlichen Versicherung. St. Yves hilft die Rechte zu behalten bzw. zu erlangen.

Häuserabriss

Eine angemessene Unterbringung ist ein grundlegendes Menschenrecht. Seit 1967 zerstörte Israel zehntausende palästinensischer Häuser und Strukturen in den besetzten Gebieten, auch viele Schulen. Tausende von Abrissverfügungen sind anhängig und können jede Minute ausgeführt werden, wodurch immer mehr palästinensische Familien aus ihrem Land vertrieben werden. St. Yves führt Prozesse gegen Hauszerstörungen und setzt sich für das Recht auf Wohnraum ein.

Familienzusammenführung

Das Recht auf Familie ist ein grundlegendes Menschenrecht. Zwischen 1967 und 2001 konnten israelische Bürger*innen und Einwohner*innen, die mit Einwohner*innen der besetzten Gebiete verheiratet waren, nach einem Antragsverfahren einen rechtlichen Status für ihre*n Ehepartner*in in Jerusalem erlangen. Im Mai 2002 hat die israelische Regierung Anträge auf Familienzusammenführung eingefroren, Zehntausende von Anfragen wurden nicht bearbeitet oder abgelehnt. Hier unterstützt e St. Yves die Paare in ihrem Kampf um ihr Recht auf Familienzusammenführung.

Kinderregistrierung

1991 wurde von Israel die UN-Konvention der vereinten Nationen über die Rechte des Kindes ratifizier, wonach ein Kind das Recht hat, nach der Geburt registriert zu werden. Danach besteht auch Anspruch auf Gesundheitsfürsorge und Bildung. Dieser Anspruch besteht zur Zeit nicht für geschätzte 10.000 Kindern, die in Jerusalem leben, weil Israel diese automatische Registrierung verweigert, wenn eines der Elternteile weder israelische*r Staatsbürger*in oder ein*e dauerhafte*r Einwohner*in ist.

In einem Film wurde unserer Gruppe das traurige Leben (wie er findet: verlorene Leben) eines jetzt 18-jährigen Jungen gezeigt, der nichts mit seinem Leben anfangen kann (Krankenfürsorge, Schule, Ausbildung, Arbeit), weil er nicht registriert ist. Auch hier versucht St. Yves Eltern bei der Registrierung zu helfen.

Bewegungsfreiheit

Jeder Mensch hat das Recht sein Land zu verlassen und wieder zurückzukehren und darüber hinaus sich frei in seinem Land zu bewegen. Palästinenser*innen dagegen sind durch Straßensperrungen, Checkpoints, Trennungsmauern bzw. -zäune sowie willkürliche und strafbare Praktiken der Schließungen im Westjordanland und in Jerusalem konfrontiert. Ein Antrag auf Genehmigung, um die besetzen Gebiete nach Jerusalem verlassen zu können, wird häufig boykottiert. Auch hier hilft St. Yves bei der Verteidigung der Bewegungsfreiheit.

Zur Lage der Christen

Christliche Friedensarbeit durch das Arabische Educational Institut (AEI) in Bethlehem, Mitglied von Pax Christi International (http ://www.aeicenter.org/)

Das AEI leistet eine umfassende Bildungsarbeit in Bethlehem: Unterstützt werden insbesondere junge Palästinenser*innen, Frauen und Lehrende im Aufbau eines Gemeinwesens, in der Bewahrung ihrer Identität und der Menschenrechte. Ein friedliches Zusammenleben von Muslim*innen und Christ*innen soll möglich sein und gefördert werden.

Das arabische Sumud Konzept (Standhaftigkeit) leitet die Jugend und Frauenarbeit im AEI. Sumud bedeutet vor allem Entschlossenheit, auf dem Land zu bleiben und trotz der Besatzung nicht zu gehen – was z.Zt. sehr schwierig ist, in Bethlehem verlassen jedoch immer mehr Christ*innen das Land wegen der Perspektivlosigkeit, was die Lebensplanung betrifft. Es ist wichtig, die innere Kraft der Menschen zu stärken und angesichts der Besatzung nicht zu verzweifeln. Wir erleben eine Mitarbeiterin, die gerade aus einem Nachbarort gekommen ist, wo sie tagsüber zu dieser Thematik mit Frauen gearbeitet hat. Dabei wird auch immer wieder der gewaltfreie Umgang bei Konflikten eingeübt.

Es werden Projekte angestoßen und in Schriften veröffentlicht, so z.B. „The Wall Museum“. Es wurde eine Serie von Postern hergestellt mit wahren Geschichten, von Palästinenserinnen geschrieben über ihr Leiden, ihre Unterdrückung, aber auch von innerer Stärke oder Resilience und kultureller Identität. Die an der Mauer aufgehängten Plakate, die allen Besucher*innen in Bethlehem zugänglich sind, sollen das wahre Leben der Palästinenser*innen, das die Mauer verstecken und töten will, zeigen. Die Geschichten wurden auch in einem Buch veröffentlicht.

Die Arbeit in den Schulen wird durch das Kultusministerium unterstützt, Insbesondere im Religionsunterricht versucht man zu vermitteln, dass man sich in beiden Religionen mit Respekt begegnet. Die Werte der Religionen werden erarbeitet und Feste gemeinsam gefeiert. Außerschulische Angebote werden gemacht, z. B. eine Musikband, Theatergruppe, Hilfe beim Englischunterricht. Dies erzählt uns ein 20-jähriger junger Mann, der über Pax Christi einen Freiwilligendienst hier absolviert und begeistert ist von seiner Arbeit mit den Jugendlichen und den freundlichen Menschen vor Ort. Seine Kenntnisse beim Umgang mit dem Computer beim Erstellen von Materialien werden im Büro sehr geschätzt. Er ermutigt zu weiteren Freiwilligendiensten vor Ort.

Auswandern? Die Lage der Christ*innen-Gespräch mit Pfr. Munter Isaac in der Lutherischen Weihnachtskirche

Wir erfahren Fakten zur Situation im Westjordanland: In den Palästinensischen Gebieten einschließlich Ostjerusalem leben etwa 5 Millionen Menschen, davon knapp 1,8 Millionen in Gaza. Hinzu kommen 600.000 jüdische Siedler*innen, davon 200.000 in Ostjerusalem. Die Einwohnerdichte beträgt 780/km². Insgesamt gibt es etwa 17O-180.000 Christ*innen, davon leben 700 in Gaza und 8.000 in Bethlehem. Davon gehören 10% zu den protestantischen Kirchen einschließlich der Evangelikalen und 35 % zur römisch-katholischen Kirche, der Rest verteilt sich auf andere Kirchen. Weltweit leben 10-15 Millionen Palästinenser*innen, 10% davon sind Christ*innen.

Obwohl die Christ*innen eine Minderheit innerhalb der muslimisch dominierten Bevölkerung in den Palästinensischen Autonomiegebieten darstellen, ist ihr politischer Einfluss nicht zu übersehen. Selbst im israelischen Parlament gibt es meist eine*n christliche*n Araber*in. In den Palästinensischen Gebieten müssen laut einem präsidentiellen Dekret von 2001 die Oberhäupter von zehn Gemeinderäten christlich sein. Dieser Erlass gilt u. a. für Bethlehem, Ramallah, Birzeit und Taybeh. Einige dieser Gemeinden haben eine (deutliche) muslimische Mehrheit. Ein Dekret von 2005 besagt, dass mindestens sechs Sitze des Parlaments (Palästinensischer Legislativrat) an Christ*innen vergeben werden müssen. Die Christ*innen werden traditionell geachtet, auch auf Grund ihrer häufig guten Schulbildung. Man kann deshalb davon ausgehen, dass diese Erlasse nicht allein für den Einfluss der Christ*innen verantwortlich sind, zumal auch in vielen Leitungspositionen Christ*innen sind (z.B. Baby Hospital, Ministerin, Vertreterin der Palästinensischen Autonomiebehörde in Deutschland).

Immer mehr Christ*innen verlassen das Land auf Grund der Einschränkungen infolge der Besatzungssituation, die u.a. mit Unsicherheit, Perspektivlosigkeit und Arbeitslosigkeit (28% im Gegensatz zu Israel mit 4%) verbunden ist. Eine wirtschaftliche Entwicklung ist nicht möglich, weil alles von Israel abhängt: Wasser, Elektrizität, Verkehr, Grenzen, Import, Export.

Mit Sorge beobachtet Pfr. Isaac einen „Minoritätenkomplex“, in den Schulen wird die Religion zum Identitätsfaktor. Das ist neu! Oft sind nur zwei Christ*innen mit 30 Muslim*innen in einer Klasse. Erstere werden dann ausgegrenzt.

Enttäuscht ist er von den Kirchen in der Welt, nicht nur von fundamentalistischen Christ*innen, die den Siedlungsbau unterstützen, sondern auch von der EKD, die den Schrei nach Gerechtigkeit, wie er im Kairos-Dokument von 2009 formuliert ist, nicht hören, und sich nicht entsprechend für einen gerechten Frieden einsetzen. Ich nehme dies als „Arbeitsauftrag“ mit nach Hause.

Ergänzung: In Jerusalem mit 700.000 Einwohner*innen leben etwa 2% Christ*innen.

Aufgrund der Bedeutung der Region für den Ursprung des Christentums sind fast alle christlichen Kirchen und Konfessionen im Heiligen Land vertreten. Unter den Begriff „Christen im Heiligen Land“ fallen daher auch alle Christ*innen aus dem Ausland, die sich aus religiösen Gründen dort niedergelassen haben. Viele der bedeutendsten Ursprungsorte des Christentums liegen in den Palästinensischen Gebieten. Im heutigen Nablus, früher Sichem, im nördlichen Westjordanland erschien Abraham, dem Stammvater aller drei monotheistischen Weltreligionen, nach der Überlieferung Gott und versprach Abrahams Nachkommen das Land. Jesus von Nazareth wurde in Bethlehem geboren, seine Grabeskirche ist in der Altstadt des von Israel besetzten Ostjerusalems gelegen. Selbst Gaza findet im Alten Testament Erwähnung, als Ort der Gefangenschaft und des Todes des jüdischen Helden Samson.

Christian Peacemaker Team (CPT) in Hebron     

Nachdem uns ein örtlicher Reiseführer durch Hebron, auch durch die Moschee mit den Patriarchengräbern geführt hatte, und wir die für die Palästinenser*innen so entwürdigende Situation (wie Dreck behandelt, von Soldat*innen schikaniert, leere Altstadt, Siedler*innen mitten in der Stadt) mit eigenen Augen wahrgenommen hatten, wurden wir von einigen freundlichen jungen Mitarbeitenden des Teams in ihr bescheidenes Büro zur Information eingeladen.

Dieses Team will der Gefahr trotzen und weiterhin eine Schutzfunktion ausüben, nachdem der Status für die Uno-Schutztruppe vor einigen Wochen von Netanjahu nicht mehr verlängert wurde und auch die Menschen aus dem Ökumenischen Begleitprogramm (EAPI) nach einem Angriff sich zurückgezogen haben.

Diese Schutzfunktion beinhaltet die Begleitung von Schulkindern in Hebron und Umgebung (Schutz vor übergriffigen Siedler*innen und an den Checkpoints vor aggressiven Soldat*innen) Begleitung von Farmer*innen zu abgelegenen Ländereien, Schutz vor Zerstörungen und Angriffen durch aggressive Siedler*innen, auch Hilfe bei Wiederanpflanzungen von Olivenbäumen. Durch Workshops in Schulen soll gewaltfreier Umgang eingeübt werdet. Wichtig, weil viele palästinensische Kinder und Jugendliche sich häufig durch die Lebensumstände gedemütigt fühlen, von Soldat*innen nicht geschützt werden, von den Siedler*innen sich zu Gewalt provozieren lassen und dann sehr schnell im Gefängnis landen. Besuche bei Vertreter*innen der Zivilgesellschaft und einem Beratungsausschuss fördern eine vertrauensvolle Zusammenarbeit. Wichtig ist vor allem die Dokumentation und Meldung der Übergriffe und Menschenrechtsverletzungen an nationale und internationale Menschenrechtsorganisationen und an die Medien.

Zuhause erhalte ich Ende März folgende Einladung: Die Europäische Allianz für die Solidarität mit den Palästinensischen Gefangenen e.V. organisiert in Brüssel am 27. und 28.04.2019 ihre fünfte europäische Konferenz unter dem Motto „Inhaftierung von Kindern ist ein Verbrechen gegen die Menschheit“. „Aus diesem Anlass freuen wir uns, Sie zur Teilnahme an dieser Konferenz einzuladen. Neben der Solidarität mit rund 6.000 Häftlingen und deren Familien und Verwandten, und neben der Internationalisierung ihrer Sache wird sich die Konferenz auf die Frage der „Inhaftierten Kinder“ konzentrieren, deren Zahl mehr als 350 Gefangene übersteigt.

Menschenrechtsarbeit im Westjordanland

Stop The Wall     (http://stopthewall.org/)

Ich freue mich, dass Jamal Juma unser Gesprächspartner bei dieser Organisation ist – ich habe ihn schon in Deutschland bei einer Tagung kennengelernt und schätze ihn sehr. Bevor er uns vor Ort die Auswirkungen der Mauer zeigt, erklärt er uns im Büro, wie sich die Fläche, die den Palästinenser*innen noch als Land zur Verfügung steht, durch den Siedlungsbau und die Mauer, die größtenteils auf palästinensischem Land verläuft, stark verkleinert hat.

Ein Anliegen der Organisation ist es, Bewusstsein zu schaffen für die Auswirkungen der Mauer und der Siedlungen, ihre Illegalität und ihre Rolle im gesamten israelischen Projekt der Vertreibung und Ghettoisierung des palästinensischen Volkes zu zeigen. „Wir unterstreichen die Verpflichtung der internationalen Gemeinschaft, israelische Verletzungen der palästinensischen Rechte und des Völkerrechts nicht anzuerkennen und keine Hilfe zu leisten.“

Stop the Wall unterstützt die Kampagne für den Palästinensischen Unified Call for BDS (Boykott, Divestment, Sanctions), die am 9. Juli 2005 von über 170 palästinensischen Organisationen gegründet wurde.

Die Mitarbeiter der Organisation organisieren immer wieder Demonstrationen gegen den Mauerbau, Landnahme und Häuserzerstörungen. Die Mauer ist nur deshalb illegal, weil sie auf palästinensischem Boden verläuft. Eine Besatzungsmacht darf auch nicht ausbeuten, so wie Israel dies tut. Es ist auch keine eigenständige wirtschaftliche Entwicklung möglich. Die Menschen sind gezwungen, große Umwege auf sich zu nehmen. Dörfer werden mit der Zeit verlassen, weil durch den Mauerbau die Wege zu Schulen oder zur Arbeit zu weit sind, so z.B. Narballah. Fassungslos stehen wir vor den Trümmern eines zerstörten Hauses, in dem vorher 12 Familien gewohnt haben. Aus Sicherheitsgründen wurde es zerstört – in der Nähe verläuft eine Siedlerstraße. Andere Häuser haben schon eine Abrissverfügung und können jederzeit zerstört werden. Die Organisation versucht den Familien beizustehen.

Jamal klärt uns auch über die verschiedenen Verwaltungszonen auf: A (palästinensische Behörde zuständig für Zivilverwaltung und innere Sicherheit), B (Palästinensische Behörde zuständig für Zivilverwaltung, Israel für innere Sicherheit), C (Palästinensische Behörde zuständig für Bildung und Gesundheit, Israel zuständig für alle auf das Land bezogenen zivilen Angelegenheiten und innere Sicherheit). Es gibt nur wenige A-Gebiete, z. B. einige Städte. Der größte Teil ist C-Gebiet. Die israelische Regierung gewährt aber häufig nicht die Autonomie, die in den Osloverträgen (1993 und 1995) für die einzelnen Gebiete angeordnet wurde. Genehmigungen zum Hausbau werden generell nicht erteilt. So wird häufig illegal gebaut – was dann irgendwann den Grund für Abriss liefert.

Insgesamt bleibt nach dieser Führung eine tiefe Betroffenheit und Besorgnis über die Perspektivlosigkeit der palästinensischen Bevölkerung haften.

Combatants for Peace  (http://cfpeace.org/)

In dieser Gruppe arbeiten Israelis und Palästinenser*innen zusammen, die eine aktive Rolle in dem Gewaltkreislauf der Region gespielt haben, als Soldat*innen in der israelischen Armee und als palästinensische Kämpfer*innen gegen die israelische Besetzung. Sie haben die Waffen niedergelegt, weil sie sich nicht mehr durch die Waffen, sondern als Menschen sehen wollen, weil sie erkannt haben, dass sie sich genug Leid zugefügt haben und nun für den Frieden kämpfen wollen. Die beiden Männer, denen wir begegnet sind, haben uns dies auf eindrückliche Weise gesagt; insbesondere die Erzählung des früheren israelischen Majors über seine Entscheidung aus der Armee auszutreten, hat uns zutiefst berührt. Sie sind gemeinsam vor Ort, wenn es um Schutzaktionen geht. Sie sprechen gemeinsam bei den nationalen Veranstaltungen, sie treffen israelische und amerikanische Jugendliche bevor diese in die Armee eintreten um über Gewaltfreiheit bzw. respektvollen Umgang mit allen Menschen während der Armeezeit, über die Einhaltung des Völkerrechts bei Gefangenen und bei den Aufgaben in den besetzten Gebieten zu informieren. Sie führen gemeinsame Projekte durch, z.B. spielt eine Theatergruppe „Personal Stories“ für Palästinenser*innen und Israelis. Dabei wird gezeigt, wie die Gewalt der Darsteller*innen sich transformieren lässt.

„Selbst wenn wir Zerstörungen und Leid nicht abwenden können ist es wichtig, dass das Leid gemeinsam getragen wird und dass dadurch auch eine gemeinsame Verantwortung entsteht“, die über das gemeinsame Arbeiten, Bauen, Pflanzen, Schützen hinaus trägt.

Al-Haq (http://www.alhaq.org/)

Die unabhängige palästinensische Menschenrechtsorganisation Al-Haq mit Sitz in Ramallah, dem jetzigen Regierungssitz, wurde 1979 zum Schutz und zur Förderung der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit im besetzten palästinensischen Gebiet gegründet. Sie wird z.B. von „Brot für die Welt“ unterstützt. Sie hat einen besonderen beratenden Status beim Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen und ist Mitglied in mehreren internationalen Menschenrechtsorganisationen. Es werden Verletzungen der individuellen und kollektiven Rechte von Palästinensern dokumentiert und es wird versucht, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen mit Hilfe von nationalem und internationalem Recht. Der Mitarbeiter spricht davon, dass das internationale Recht „eingefroren“ ist und dass z.B. häufig von der Besatzungsmacht ein „Restriktiver Arrest“ durchgeführt wird, bei dem der Wille der Inhaftierten gebrochen wird und sie falsche Geständnisse machen. Er benennt auch das „Recht auf zivilen Widerstand“. Al-Haq arbeitet aber auch mit palästinensischen Organisationen der Zivilgesellschaft und staatlichen Institutionen zusammen, um sicherzustellen, dass Menschenrechtsstandards (z.B. Verbot von Folter) im palästinensischen Recht und in der Politik berücksichtigt werden. Er appelliert an uns, keine Entschuldigung gelten zu lassen, wenn Menschenrechte gebrochen werden, und dabei auch diese immer wieder bei den Verantwortlichen in Politik und Gesellschaft einzufordern.

Holocaust und jüdisches Leben heute

Besuch des Holocaust-Museums und der Gedenkstätte Yad Vashem

Nicht zuletzt hat mich der Besuch in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem wieder sehr erschüttert. Seit meiner Jugend (Ende der 1950er Jahre), ist die Beschäftigung mit dem Holocaust existentiell für mich und mit Trauer und Schulbewusstsein verbunden und immer wieder stehe ich fassungslos vor  dem, was Menschen angetan wurde. Manches war auch mir nicht bewusst, z.B. die vielen  Todesmärsche oder das abweisende Verhalten der Menschen in Polen gegenüber den überlebenden, zurückgekehrten Jüd*innen. Sehr betroffen gemacht hat mich auch, dass das Nationalitätengesetz der israelischen Regierung (2018) Ähnlichkeiten mit den Rassengesetzen der Nazis aufweist. Ich kann nur hoffen, dass die vielen israelischen Soldat*innen, die durch die Gedenkstätte geführt wurden, nicht nur verstärkt werden in ihrer Trauer und ihrem Betroffensein, dass dem jüdischen Volk so etwas Entsetzliches nicht mehr passieren darf, sondern dass kein Volk auf der Welt Angst vor Auslöschung und Diskriminierung haben darf.

Gespräch mit Ilan Baruch, ehemaliger israelischer Botschafter in Südafrika und Jeremy Milgram, Rabbiner für Menschenrechte

Der ehemalige israelische Botschafter in Südafrika lIan Baruch (zurückgetreten 2011, weil er die Regierungspolitik nicht mehr mittragen konnte) ist entsetzt über das Nationalitätengesetz (2018), das die palästinensischen Staatsbürger*innen Israels weiter diskriminiert, arabisch als Amtssprache abschafft und diesen den Erwerb von Grundbesitz verbietet. Er ist verbittert über die deutsche Bundesregierung, die eine starke Stimme in Europa hat, dass sie ihren Einfluss nicht für eine Veränderung der Politik Israels einbringt. „Schreckliches geht vor!“ „We need you, to help us!“ Er fordert uns eindringlich auf, uns bei gerechtfertigter Kritik an der israelischen Regierungspolitik nicht mit falschen Antisemitismusvorwürfen mundtot machen zu lassen. Die Diskussion in Deutschland muss geöffnet werden. „I speak in the name of Jewish Interest to make this place safe.“

Wir hören die Enttäuschung von Jeremy Milgram, dem Rabbiner für Menschenrechte (seit 25 Jahren) darüber, dass, in falsch verstandener Theologie „Gottes Erwähltes Volk“ machen kann, was es will. Von den 75% Juden, die in Israel leben sind 30% religiös, davon 2000 gewalttätig. Keine Partei in Israel spricht über Frieden, aus Angst Stimmen zu verlieren.

Nach diesen vielen – häufig auch sehr belastenden Eindrücken – tat es uns gut, die Reise entspannt mit einem wunderbaren israelisch-arabischen Essen ausklingen zu lassen. Bei dem Spaziergang zum Rosary Sisters Convent konnten wir noch ein wenig Jerusalemer Luft schnuppern, bevor wir von den freundlichen Schwestern empfangen wurden und uns noch wenige Stunden bis zu unserem frühen Aufbruch ausruhen konnten.

Schlussbemerkung – Dank

Ich bin sehr froh, dass ich mich auf den Weg gemacht habe, und vor allem auch dankbar, dass es unseren beiden kompetenten Reiseleiterinnen aus der Pax Christi-Arbeit gelungen ist, innerhalb einer Woche uns mit Menschen zusammenzubringen, die uns ein breites Spektrum ihrer bewundernswerten, oft gefährlichen Arbeit für ein friedliches Zusammenleben geben konnten. Diese Begegnungen ermutigen und geben mehr Kompetenzen für die eigene Friedensarbeit zuhause, so wie ich es mir erhofft habe.

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      Dr. Werner-Schuster-Haus
      Kaiserstr. 201
      D-53113 Bonn